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Die Geschichte der

Ludwig - Erhard -Schule

Erfurt

Sporthalle 1936

 

In den Jahren nach 1890 erkannten die Erfurter Stadtväter, dass es aufgrund der schlechten Schülerverteilung innerhalb der Stadt nötig wurde, eine neue Schule zu bauen. Die damalige Situation sah wie folgt aus:
Die durchschnittliche Anzahl der Schüler in einer Klasse belief sich auf 40 bis 50, in besonders dramatischen Fällen sogar auf 70 bis 80. An einen effektiven Unterricht war natürlich bei derartigen Klassenfrequenzen nicht zu denken. Dieser Situation Rechnung tragend, entschlossen sich die Stadtväter, den Bau einer neuen Schule in Auftrag zu geben. Man setzte sich das Ziel, ein großes Gebäude zu errichten, das möglichst viele Schüler aufnehmen kann.
 
Der damalige Stadtbaurat Kortüm wurde mit dem Bau der neuen Schule beauftragt. Er war nun verantwortlich für die Planung und die technischen Entwürfe. Nachdem die notwendigen Mittel bereitgestellt waren, konnte man im Juni 1895 mit dem Bau beginnen. Unter der Leitung des Bauführers Häuser entstand innerhalb von nur 16 Monaten die „Andreas-Schule“. Aufgrund der Lage einigte man sich dann doch auf den Namen „Talschule“, der bis heute noch umgangssprachlich verwendet wird. Bei der Planung der Schule war man darauf bedacht, ein großes und geräumiges Gebäude zu errichten. Es entstand eine Schule mit 29 Klassenzimmern, darunter waren 3 große Zeichensäle. Weiterhin befanden sich im Keller große Dusch-und Umkleideräume für etwa 60 Kinder. Die Korridore wurden 4 m und die Treppen 2,75 m breit gebaut. Die Klassenräume in den unteren Etagen erhielten eine Höhe von 4,30 m, die oberen Räume sogar eine Höhe von 5m. Für die damalige Zeit war es schon außergewöhnlich, eine Schule mit solch großen und hellen Räumen zu bauen. Damit war die Talschule eine nicht alltägliche Besonderheit.
Nachdem im September 1896 die Bauarbeiten beendet waren, konnte die neue Schule bezogen werden. Dies war vom Zeitpunkt her auch dringend nötig, da die Kinder der II. Evangelischen Volksschule dringend ein neues Gebäude brauchten.
 
Am Mittwoch, dem 20.Oktober 1896 war es dann soweit. Um 11.00 Uhr wurde die Talschule feierlich eröffnet.
Unter den geladenen Gästen befanden sich Vertreter der königlichen Regierung, des Magistrats, der Bürgermeister Lange und natürlich auch die Schüler.
Zu Beginn der Festlichkeit hielt Stadtschulrat Dr. Vorbrodt eine ergreifende Rede, in der er die Schule an den Rektor Schiel übergab und die vortreffliche Arbeit aller Beteiligten lobte.
Später wurden dann auch die Kosten, die beim Bau der Schule verbraucht wurden, abgerechnet. Diese beliefen sich auf insgesamt 334.209 Reichsmark. Im Gegensatz zum Kostenvoranschlag wurden genau 31.115 Reichsmark eingespart.
 
Schon relativ schnell nach der Einweihung der Schule wurde sie zur Städtischen Handelsschule der Stadt Erfurt. Die ersten Nachweise dafür stammen aus dem Jahre 1903. Unter dem Dach dieser Schule etablierte sich die Kaufmännische Berufsschule, die Handelsschule und die Höhere Handelsschule.

Einen weiteren Fortschritt gab es dann im Jahre 1920, als die Elektrizität das Gaslicht in der Schule ablöste.
Die Schule öffnete sich in dieser Zeit auch für die Öffentlichkeit. So konnten am Abend Kunstradfahrer, Ringer, Gewichtheber und die Erfurter Sängerknaben die Turnhalle für ihr Training bzw. für ihre Proben nutzen.

 
In der damaligen Zeit sah beispielsweise die Stundentafel für den Beruf des Verkäufers für eine Woche wie folgt aus:

Staatsbürgerkunde: 1 Std.
Handelskunde: 1 Std.
Schriftverkehr: 1 Std.
Rechnen: 2 Std.
Verkaufskunde: 2 Std.
Warenkunde: 1 Std.
 

Religion wurde nur dort unterrichtet, wo das Fach bereits eingeführt war und wo Geld und Lehrkräftekapazität vorhanden war.

In der Geschichte der Talschule gehörten auch schon in der damaligen Zeit generelle Sparmaßnahmen im Schulwesen zur Realität. So wurde immer wieder über Zusammenlegungen von Klassen, Lehrkräfteeinsparungen und allgemeine Sparmaßnahmen nachgedacht und diese auch realisiert.
So wurden zum Beispiel im Jahre 1931 an der Schule 455 Stunden wöchentlich unterrichtet.
Davon:
an der Handelsschule: 66 Std.
an der Höheren Handelsschule: 37 Std.
an der Berufsschule: 350 Std.
in wahlfreien Lehrgängen: 2 Std.
 

Im Jahre 1932 waren es wöchentlich nur noch 350 Std.
Die Einsparung von 67 Stunden betraf ausschließlich die Berufsschule. Hier wurde das Stundenvolumen von 350 Stunden auf 283 Stunden gekürzt.

 

Auch bei der Vergütung von Lehrkräften wurde gespart. Im Jahre 1931 betrugen die Ausgaben dafür 8.108,03 RM. Im Jahre 1932 wurden nur noch 6.008,55 RM für die Lehrervergütung ausgegeben. Auch durch die Zusammenlegung von Klassen konnten 700 RM gespart werden.

 

Auf der Tagesordnung stand auch immer wieder die Diskussion über die Verteilung des Berufsschulunterrichtes. Im Jahre 1934 wurden 5 Stunden vormittags in der ersten Wochenhälfte unterrichtet, die restlichen 3 Stunden in der zweiten Wochenhälfte am Nachmittag. Im Jahre 1934 drängten die Ausbildungsbetriebe darauf, den Unterricht auf einen Tag zu legen, damit die Lehrlinge nur einmal wöchentlich in der Praxis fehlten.

 

Während des zweiten Weltkrieges wurde die Schule zum Glück vor Beschädigungen bewahrt. Sie diente allerdings über einen größeren Zeitraum als Flüchtlingslager.
Anlässlich der 100-Jahr Feier 1996 konnte die Schule das Ehepaar Göthel als Besucher begrüßen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie 83 bzw. 74 Jahre alt. Sie erzählten von ihrer Flucht aus Breslau und davon, wie ein Klassenzimmer in der Talschule der erste Ort der Geborgenheit in der Fremde war.

 

Nach 1945 wurde der Schulbetrieb als kaufmännische Berufsschule wieder aufgenommen. Zunächst gab es im Haus 2 Betriebsberufsschulen. Eine der Handelsorganisation HO und eine der Handelsorganisation Konsum. Später wurden beide Schulen zusammengeführt. Im Laufe der Jahre änderten sich der Name der Schule und die betriebliche Trägerschaft mehrfach.

 

Die Namen waren BBS (Betriebsberufsschule) „Sozialistischer Handel“, BBS „Sozialistischer Konsumgüterbinnenhandel“ und danach BBS „Rosa Luxemburg“. Die Trägerbetriebe, denen die Betriebsberufsschule zugeordnet war, waren zunächst das Centrum-Warenhaus, danach die Handelsorganisation HO-Industriewaren und später die Handelsorganisation HO-Gaststätten.

 

Auch die Anzahl der Schulleiter war in diesem Zeitraum nicht gering. Die Herren Schlau, August, Hoffmann, Seifert, Schmidt und Dr. Weissenborn trugen von 1945 bis zur politischen Wende 1989 über unterschiedliche Zeiträume Verantwortung für die Schule.

 

Mit der politischen Wende in der ehemaligen DDR im November 1989 vollzog sich auch eine fundamentale Veränderung im Schulsystem. Diese Veränderung betraf natürlich auch die damalige Betriebsberufsschule „Rosa-Luxemburg“ - so der Status und der Name der Talschule zur Wende.
Die damaligen Betriebsberufsschulen der Stadt Erfurt wurden Staatliche Berufsbildende Schulen, bei denen der Träger die Kommune und die inhaltlich weisungsberechtigte Institution das neu gegründete Thüringer Kultusministerium wurde.

 

Die Talschule wurde die Staatliche Berufsbildende Schule 3 – eine von 7 Berufsbildenden Schulen der Stadt Erfurt.
Im Herbst 1990 wurde die alte Schulleitung abgelöst. Zum neuen Schulleiter wurde Michael Grünebaum ernannt, als stellvertretender Schulleiter wurde Gerhard Roth berufen.
In den neu entstandenen Schulaufsichtsbehörden wurden Gremien gegründet, die die Aufgabe hatten, alle Lehrerinnen und Lehrer der ehemaligen DDR dahingehend zu überprüfen, ob sie aufgrund ihrer Vergangenheit weiterhin im Schuldienst verbleiben können. Diese Vergangenheit betraf die politische Einbindung in das DDR-System. Aufgrund dieser Überprüfung kam es an der Staatlichen Berufsbildenden Schule 3 in nur wenigen Fällen zur Beendigung des Dienstverhältnisses.

 

Nahezu revolutionär waren die inhaltlichen Veränderungen. Die Talschule, so wird sie im Volksmund immer noch genannt, blieb eine berufsbildende Schule mit dem Schwerpunkt der Ausbildung in den Handelsberufen. Allerdings vollzog sich jetzt der Bildungsauftrag im Dualen System der Bundesrepublik. Die Gesetzlichkeiten des Dualen Systems galten ab sofort, es galt kein alter Lehrplan mehr und alle bisherigen Lehrbücher verloren ihre Gültigkeit. Vor der Schulleitung und vor den Lehrerinnen und Lehrern stand eine Herkulesaufgabe. Als Ausbildungsberufe waren weiterhin Handels- und Gastronomieberufe an der Schule.

 

Eine neue und wichtige Aufgabe war die Etablierung von Vollzeitschulformen. So entstanden ein Berufliches Gymnasium in der Fachrichtung Wirtschaft, die1- und 2-jährige Fachoberschule und die Berufsfachschule.
Dankbar muss man hier die großzügige Hilfe und Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern erwähnen. Sie haben mit finanzieller Unterstützung der jeweiligen Landesregierung einen wesentlichen Anteil am inhaltlichen und materiellen Aufbau des neuen Schulsystems geleistet.

 

Für nahezu alle Lehrerinnen und Lehrer war diese Zeit eine Zeit der Fortbildung, der Neuorientierung und des Erwerbs von neuen Qualifikationen. An nicht wenigen Wochenenden saß man auf der Schulbank, um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können.
Die bereits erwähnte materielle Hilfe aus den alten Bundesländern manifestierte sich im Jahre 1990, als das Land Rheinland-Pfalz unserer Schule ein komplettes Computerkabinett schenkte, das von der Staatssekretärin im dortigen Kultusministerium persönlich übergeben wurde. Eine weitere neue Aufgabe stellte sich die Schulleitung und das Kollegium, in dem man sich frühzeitig bereit erklärte, Referendare für das neu gegründete Studienseminar auszubilden.

 

Die 90er Jahre waren Jahre der Veränderungen in vielfältiger Hinsicht. Das Kollegium veränderte sich personell durch den Zugang junger Lehrerinnen und Lehrer, aber auch durch Lehrkräfte, die aus anderen Schulformen (z. B. der Regelschule) an die berufsbildende Schule kamen. Für sie war dieser Wechsel natürlich auch mit dem Einarbeiten in neue Fächer verbunden, so dass Fortbildungen auf der Tagesordnung standen. Auch für einen Mathematiklehrer aus einer anderen Schulform galt es z.B. sich auf die fachlichen Inhalte wirtschaftlicher Rechenmethoden umzustellen. Auch Fortbildungen auf dem Gebiet des Schulrechts standen für die Schulleitung und für das Kollegium auf dem Programm. Manche Kolleginnen und Kollegen fungierten auch als Multiplikatoren und gaben ihr neu erworbenes Wissen in von ihnen gestalteten Veranstaltungen weiter.

 

Eine Veränderung im Profil der Schule gab es im Februar 1993. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Gastronomieberufe aus der Staatlichen Berufsbildenden Schule 3 ausgegliedert und der Staatlichen Berufsbildenden Schule 5, der heutigen Ernst-Benary-Schule, zugeordnet. Dadurch wurde an der Talschule Platz geschaffen für die Aufnahme von Auszubildenden in neu etablierten Ausbildungsgängen. So kamen im Laufe der 90er Jahre Berufe in der Lagerlogistik und im Dienstleistungsbereich der Post an die Schule. Außerdem wurden Speditionskaufleute, Verlagskaufleute und Kaufleute für audiovisuelle Medien in der Talstraße unterrichtet.
Die Verlagskaufleute wurden mehrheitlich für die Zeitungsgruppe Thüringen ausgebildet, die Mehrheit der Kaufleute für audiovisuelle Medien hatte einen Ausbildungsvertrag beim Mitteldeutschen Rundfunk und kam aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

 

Im Oktober 1996 fand an der Schule anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Schulgebäudes eine Festwoche statt. Im Rahmen dieser Festwoche verlieh der Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge der Talschule den Namen „Ludwig-Erhard-Schule“. In der Feierstunde zur Namensverleihung hielt der Kultusminister Dieter Althaus die Festrede. Anwesend waren weitere Vertreter der Stadt Erfurt, des Thüringer Kultusministeriums, sowie zahlreiche Vertreter der Ausbildungsbetriebe. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete mit einem Beitrag im „Thüringen-Journal“ von der Feierstunde und den Aktivitäten in der Festwoche, bei der die Schülerinnen und Schüler natürlich eine wichtige Rolle spielten. Auch in den lokalen Printmedien fand das Ereignis eine angemessene Aufmerksamkeit.

 

Wer Ludwig Erhard war und welche Veränderungen er für Deutschland brachte, lesen Sie hier:
Ludwig Erhard

 

Die 90er Jahre waren auch gekennzeichnet durch eine ständig wachsende Schülerzahl. Das betraf sowohl die duale Ausbildung als auch den Zustrom in Vollzeitbildungsgängen. Dieser Quantitätszuwachs brachte die Schule an die Grenze ihrer Raumkapazität. Daher mussten einige Klassen im Gymnasium in der Bukarester Straße und später in den Räumen der Lessingschule am Nettelbeckufer unterrichtet werden. Das brachte natürlich Schwierigkeiten bei der Stundenplanung mit sich. Die Lehrerinnen und Lehrer, die davon betroffen waren und an zwei Standorten unterrichten mussten, waren durch zusätzliche Wegstrecken einer besonderen Belastung ausgesetzt.

 

2002 gab es einen Wechsel in der Leitung der Schule. Der Schulleiter Michael Grünebaum ging in den Ruhestand. Neuer Schulleiter wurde Gerhard Roth, der bisherige Stellvertreter von Herrn Grünebaum. Als neuer stellvertretender Schulleiter wurde Herr Torsten Schneidmüller berufen.

 

Herr Roth blieb Schulleiter bis Anfang 2007. In diese Zeitspanne fällt die dringend notwendig gewordene Sanierung des Schulgebäudes. Die Sanierung betraf die malermäßige Instandsetzung, die Erneuerung der Elektrik, der Beleuchtungskörper, die Neugestaltung des Dachgeschosses sowie die Sanierung der Aula. Im Kellergeschoss wurden ebenfalls zwei Räume und der Kellergang grundsaniert und damit ein Aufenthaltsraum und ein Konferenzraum für das Kollegium geschaffen.

 

Mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 erfolgte der Umzug der Vollzeitschulformen (Berufliches Gymnasium, Fachoberschule und Berufsfachschule) in das Schulgebäude in der Bukarester Straße. Damit bestand die Ludwig-Erhard-Schule aus zwei Schulteilen. Die Oberstufenleiterin, Frau Schneider, bekam dort die Verantwortung für den täglichen Schulbetrieb und alle damit zusammenhängenden Modalitäten.

 
Im Januar 2007 ging der Schulleiter Roth in den Ruhestand. Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter Torsten Schneidmüller. Als neue stellvertretende Schulleiterin wurde Frau Kathrin Daut berufen.
Schulgebäude im Jahr 2006