In den Jahren nach 1890
erkannten die Erfurter Stadtväter, dass es aufgrund der schlechten
Schülerverteilung innerhalb der Stadt nötig wurde, eine neue Schule zu bauen.
Die damalige Situation sah wie folgt aus:
Die durchschnittliche Anzahl der Schüler in einer Klasse belief sich auf 40
bis 50, in besonders dramatischen Fällen sogar auf 70 bis 80. An einen
effektiven Unterricht war natürlich bei derartigen Klassenfrequenzen nicht zu
denken. Dieser Situation Rechnung tragend, entschlossen sich die Stadtväter,
den Bau einer neuen Schule in Auftrag zu geben. Man setzte sich das Ziel, ein
großes Gebäude zu errichten, das möglichst viele Schüler aufnehmen kann. |
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Der damalige
Stadtbaurat Kortüm wurde mit dem Bau der neuen Schule beauftragt. Er war nun
verantwortlich für die Planung und die technischen Entwürfe. Nachdem die
notwendigen Mittel bereitgestellt waren, konnte man im Juni 1895 mit dem Bau
beginnen. Unter der Leitung des Bauführers Häuser entstand innerhalb von nur
16 Monaten die „Andreas-Schule“. Aufgrund der Lage einigte man sich dann doch
auf den Namen „Talschule“, der bis heute noch umgangssprachlich verwendet
wird. Bei der Planung der Schule war man darauf bedacht, ein großes und
geräumiges Gebäude zu errichten. Es entstand eine Schule mit 29
Klassenzimmern, darunter waren 3 große Zeichensäle. Weiterhin befanden sich im
Keller große Dusch-und Umkleideräume für etwa 60 Kinder. Die Korridore wurden
4 m und die Treppen 2,75 m breit gebaut. Die Klassenräume in den unteren
Etagen erhielten eine Höhe von 4,30 m, die oberen Räume sogar eine Höhe von
5m. Für die damalige Zeit war es schon außergewöhnlich, eine Schule mit solch
großen und hellen Räumen zu bauen. Damit war die Talschule eine nicht
alltägliche Besonderheit.
Nachdem im September 1896 die Bauarbeiten beendet waren, konnte die neue
Schule bezogen werden. Dies war vom Zeitpunkt her auch dringend nötig, da die
Kinder der II. Evangelischen Volksschule dringend ein neues Gebäude brauchten. |
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Am Mittwoch, dem
20.Oktober 1896 war es dann soweit. Um 11.00 Uhr wurde die Talschule feierlich
eröffnet.
Unter den geladenen Gästen befanden sich Vertreter der königlichen Regierung,
des Magistrats, der Bürgermeister Lange und natürlich auch die Schüler.
Zu Beginn der Festlichkeit hielt Stadtschulrat Dr. Vorbrodt eine ergreifende
Rede, in der er die Schule an den Rektor Schiel übergab und die vortreffliche
Arbeit aller Beteiligten lobte.
Später wurden dann auch die Kosten, die beim Bau der Schule verbraucht wurden,
abgerechnet. Diese beliefen sich auf insgesamt 334.209 Reichsmark. Im
Gegensatz zum Kostenvoranschlag wurden genau 31.115 Reichsmark eingespart. |
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Schon relativ schnell
nach der Einweihung der Schule wurde sie zur Städtischen Handelsschule der
Stadt Erfurt. Die ersten Nachweise dafür stammen aus dem Jahre 1903. Unter dem
Dach dieser Schule etablierte sich die Kaufmännische Berufsschule, die
Handelsschule und die Höhere Handelsschule. |
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Einen weiteren Fortschritt gab es dann im
Jahre 1920, als die Elektrizität das Gaslicht in der Schule ablöste.
Die Schule öffnete sich in dieser Zeit auch für die Öffentlichkeit. So konnten
am Abend Kunstradfahrer, Ringer, Gewichtheber und die Erfurter Sängerknaben die
Turnhalle für ihr Training bzw. für ihre Proben nutzen. |
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In der damaligen Zeit
sah beispielsweise die Stundentafel für den Beruf des Verkäufers für eine
Woche wie folgt aus:
Staatsbürgerkunde: 1 Std.
Handelskunde: 1 Std.
Schriftverkehr: 1 Std.
Rechnen: 2 Std.
Verkaufskunde: 2 Std.
Warenkunde: 1 Std. |
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Religion wurde nur dort unterrichtet, wo
das Fach bereits eingeführt war und wo Geld und Lehrkräftekapazität vorhanden
war. |
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In der Geschichte der
Talschule gehörten auch schon in der damaligen Zeit generelle Sparmaßnahmen im
Schulwesen zur Realität. So wurde immer wieder über Zusammenlegungen von
Klassen, Lehrkräfteeinsparungen und allgemeine Sparmaßnahmen nachgedacht und
diese auch realisiert.
So wurden zum Beispiel im Jahre 1931 an der Schule 455 Stunden wöchentlich
unterrichtet.
Davon:
an der Handelsschule: 66 Std.
an der Höheren Handelsschule: 37 Std.
an der Berufsschule: 350 Std.
in wahlfreien Lehrgängen: 2 Std. |
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Im Jahre 1932 waren es wöchentlich nur
noch 350 Std.
Die Einsparung von 67 Stunden betraf ausschließlich die Berufsschule. Hier wurde
das Stundenvolumen von 350 Stunden auf 283 Stunden gekürzt. |
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Auch bei der Vergütung von Lehrkräften
wurde gespart. Im Jahre 1931 betrugen die Ausgaben dafür 8.108,03 RM. Im Jahre
1932 wurden nur noch 6.008,55 RM für die Lehrervergütung ausgegeben. Auch durch
die Zusammenlegung von Klassen konnten 700 RM gespart werden. |
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Auf der Tagesordnung stand auch immer
wieder die Diskussion über die Verteilung des Berufsschulunterrichtes. Im Jahre
1934 wurden 5 Stunden vormittags in der ersten Wochenhälfte unterrichtet, die
restlichen 3 Stunden in der zweiten Wochenhälfte am Nachmittag. Im Jahre 1934
drängten die Ausbildungsbetriebe darauf, den Unterricht auf einen Tag zu legen,
damit die Lehrlinge nur einmal wöchentlich in der Praxis fehlten. |
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Während des zweiten Weltkrieges wurde die
Schule zum Glück vor Beschädigungen bewahrt. Sie diente allerdings über einen
größeren Zeitraum als Flüchtlingslager.
Anlässlich der 100-Jahr Feier 1996 konnte die Schule das Ehepaar Göthel als
Besucher begrüßen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie 83 bzw. 74 Jahre alt. Sie
erzählten von ihrer Flucht aus Breslau und davon, wie ein Klassenzimmer in der
Talschule der erste Ort der Geborgenheit in der Fremde war. |
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Nach 1945 wurde der Schulbetrieb als
kaufmännische Berufsschule wieder aufgenommen. Zunächst gab es im Haus 2
Betriebsberufsschulen. Eine der Handelsorganisation HO und eine der
Handelsorganisation Konsum. Später wurden beide Schulen zusammengeführt. Im
Laufe der Jahre änderten sich der Name der Schule und die betriebliche
Trägerschaft mehrfach. |
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Die Namen waren BBS
(Betriebsberufsschule) „Sozialistischer Handel“, BBS „Sozialistischer
Konsumgüterbinnenhandel“ und danach BBS „Rosa Luxemburg“. Die Trägerbetriebe,
denen die Betriebsberufsschule zugeordnet war, waren zunächst das
Centrum-Warenhaus, danach die Handelsorganisation HO-Industriewaren und später
die Handelsorganisation HO-Gaststätten. |
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Auch die Anzahl der Schulleiter war in
diesem Zeitraum nicht gering. Die Herren Schlau, August, Hoffmann, Seifert,
Schmidt und Dr. Weissenborn trugen von 1945 bis zur politischen Wende 1989 über
unterschiedliche Zeiträume Verantwortung für die Schule. |
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Mit der politischen Wende in der
ehemaligen DDR im November 1989 vollzog sich auch eine fundamentale Veränderung
im Schulsystem. Diese Veränderung betraf natürlich auch die damalige
Betriebsberufsschule „Rosa-Luxemburg“ - so der Status und der Name der Talschule
zur Wende.
Die damaligen Betriebsberufsschulen der Stadt Erfurt wurden Staatliche
Berufsbildende Schulen, bei denen der Träger die Kommune und die inhaltlich
weisungsberechtigte Institution das neu gegründete Thüringer Kultusministerium
wurde. |
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Die Talschule wurde die Staatliche
Berufsbildende Schule 3 – eine von 7 Berufsbildenden Schulen der Stadt Erfurt.
Im Herbst 1990 wurde die alte Schulleitung abgelöst. Zum neuen Schulleiter wurde
Michael Grünebaum ernannt, als stellvertretender Schulleiter wurde Gerhard Roth
berufen.
In den neu entstandenen Schulaufsichtsbehörden wurden Gremien gegründet, die die
Aufgabe hatten, alle Lehrerinnen und Lehrer der ehemaligen DDR dahingehend zu
überprüfen, ob sie aufgrund ihrer Vergangenheit weiterhin im Schuldienst
verbleiben können. Diese Vergangenheit betraf die politische Einbindung in das
DDR-System. Aufgrund dieser Überprüfung kam es an der Staatlichen
Berufsbildenden Schule 3 in nur wenigen Fällen zur Beendigung des
Dienstverhältnisses. |
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Nahezu revolutionär waren die
inhaltlichen Veränderungen. Die Talschule, so wird sie im Volksmund immer noch
genannt, blieb eine berufsbildende Schule mit dem Schwerpunkt der Ausbildung in
den Handelsberufen. Allerdings vollzog sich jetzt der Bildungsauftrag im Dualen
System der Bundesrepublik. Die Gesetzlichkeiten des Dualen Systems galten ab
sofort, es galt kein alter Lehrplan mehr und alle bisherigen Lehrbücher verloren
ihre Gültigkeit. Vor der Schulleitung und vor den Lehrerinnen und Lehrern stand
eine Herkulesaufgabe. Als Ausbildungsberufe waren weiterhin Handels- und
Gastronomieberufe an der Schule. |
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Eine neue und wichtige
Aufgabe war die Etablierung von Vollzeitschulformen. So entstanden ein
Berufliches Gymnasium in der Fachrichtung Wirtschaft, die1- und 2-jährige
Fachoberschule und die Berufsfachschule.
Dankbar muss man hier die großzügige Hilfe und Unterstützung der Kolleginnen und
Kollegen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern erwähnen. Sie haben mit
finanzieller Unterstützung der jeweiligen Landesregierung einen wesentlichen
Anteil am inhaltlichen und materiellen Aufbau des neuen Schulsystems geleistet. |
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Für nahezu alle Lehrerinnen und Lehrer
war diese Zeit eine Zeit der Fortbildung, der Neuorientierung und des Erwerbs
von neuen Qualifikationen. An nicht wenigen Wochenenden saß man auf der
Schulbank, um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können.
Die bereits erwähnte materielle Hilfe aus den alten Bundesländern manifestierte
sich im Jahre 1990, als das Land Rheinland-Pfalz unserer Schule ein komplettes
Computerkabinett schenkte, das von der Staatssekretärin im dortigen
Kultusministerium persönlich übergeben wurde. Eine weitere neue Aufgabe stellte
sich die Schulleitung und das Kollegium, in dem man sich frühzeitig bereit
erklärte, Referendare für das neu gegründete Studienseminar auszubilden. |
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Die 90er Jahre waren Jahre der
Veränderungen in vielfältiger Hinsicht. Das Kollegium veränderte sich personell
durch den Zugang junger Lehrerinnen und Lehrer, aber auch durch Lehrkräfte, die
aus anderen Schulformen (z. B. der Regelschule) an die berufsbildende Schule
kamen. Für sie war dieser Wechsel natürlich auch mit dem Einarbeiten in neue
Fächer verbunden, so dass Fortbildungen auf der Tagesordnung standen. Auch für
einen Mathematiklehrer aus einer anderen Schulform galt es z.B. sich auf die
fachlichen Inhalte wirtschaftlicher Rechenmethoden umzustellen. Auch
Fortbildungen auf dem Gebiet des Schulrechts standen für die Schulleitung und
für das Kollegium auf dem Programm. Manche Kolleginnen und Kollegen fungierten
auch als Multiplikatoren und gaben ihr neu erworbenes Wissen in von ihnen
gestalteten Veranstaltungen weiter. |
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Eine Veränderung im Profil der Schule gab
es im Februar 1993. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Gastronomieberufe aus der
Staatlichen Berufsbildenden Schule 3 ausgegliedert und der Staatlichen
Berufsbildenden Schule 5, der heutigen Ernst-Benary-Schule, zugeordnet. Dadurch
wurde an der Talschule Platz geschaffen für die Aufnahme von Auszubildenden in
neu etablierten Ausbildungsgängen. So kamen im Laufe der 90er Jahre Berufe in
der Lagerlogistik und im Dienstleistungsbereich der Post an die Schule. Außerdem
wurden Speditionskaufleute, Verlagskaufleute und Kaufleute für audiovisuelle
Medien in der Talstraße unterrichtet.
Die Verlagskaufleute wurden mehrheitlich für die Zeitungsgruppe Thüringen
ausgebildet, die Mehrheit der Kaufleute für audiovisuelle Medien hatte einen
Ausbildungsvertrag beim Mitteldeutschen Rundfunk und kam aus Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen. |
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Im Oktober 1996 fand an der Schule
anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Schulgebäudes eine Festwoche statt. Im
Rahmen dieser Festwoche verlieh der Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge der
Talschule den Namen „Ludwig-Erhard-Schule“. In der Feierstunde zur
Namensverleihung hielt der Kultusminister Dieter Althaus die Festrede. Anwesend
waren weitere Vertreter der Stadt Erfurt, des Thüringer Kultusministeriums,
sowie zahlreiche Vertreter der Ausbildungsbetriebe. Der Mitteldeutsche Rundfunk
berichtete mit einem Beitrag im „Thüringen-Journal“ von der Feierstunde und den
Aktivitäten in der Festwoche, bei der die Schülerinnen und Schüler natürlich
eine wichtige Rolle spielten. Auch in den lokalen Printmedien fand das Ereignis
eine angemessene Aufmerksamkeit.
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Wer Ludwig Erhard war und welche Veränderungen er für Deutschland brachte, lesen Sie hier:
Ludwig Erhard
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Die 90er Jahre waren auch gekennzeichnet
durch eine ständig wachsende Schülerzahl. Das betraf sowohl die duale Ausbildung
als auch den Zustrom in Vollzeitbildungsgängen. Dieser Quantitätszuwachs brachte
die Schule an die Grenze ihrer Raumkapazität. Daher mussten einige Klassen im
Gymnasium in der Bukarester Straße und später in den Räumen der Lessingschule am
Nettelbeckufer unterrichtet werden. Das brachte natürlich Schwierigkeiten bei
der Stundenplanung mit sich. Die Lehrerinnen und Lehrer, die davon betroffen
waren und an zwei Standorten unterrichten mussten, waren durch zusätzliche
Wegstrecken einer besonderen Belastung ausgesetzt. |
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2002 gab es einen Wechsel in der Leitung
der Schule. Der Schulleiter Michael Grünebaum ging in den Ruhestand. Neuer
Schulleiter wurde Gerhard Roth, der bisherige Stellvertreter von Herrn Grünebaum.
Als neuer stellvertretender Schulleiter wurde Herr Torsten Schneidmüller
berufen. |
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Herr Roth blieb Schulleiter bis Anfang
2007. In diese Zeitspanne fällt die dringend notwendig gewordene Sanierung des
Schulgebäudes. Die Sanierung betraf die malermäßige Instandsetzung, die
Erneuerung der Elektrik, der Beleuchtungskörper, die Neugestaltung des
Dachgeschosses sowie die Sanierung der Aula. Im Kellergeschoss wurden ebenfalls
zwei Räume und der Kellergang grundsaniert und damit ein Aufenthaltsraum und ein
Konferenzraum für das Kollegium geschaffen. |
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Mit Beginn des Schuljahres 2006/2007
erfolgte der Umzug der Vollzeitschulformen (Berufliches Gymnasium,
Fachoberschule und Berufsfachschule) in das Schulgebäude in der Bukarester
Straße. Damit bestand die Ludwig-Erhard-Schule aus zwei Schulteilen. Die
Oberstufenleiterin, Frau Schneider, bekam dort die Verantwortung für den
täglichen Schulbetrieb und alle damit zusammenhängenden Modalitäten. |
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Im Januar 2007 ging der
Schulleiter Roth in den Ruhestand. Nachfolger wurde sein bisheriger
Stellvertreter Torsten Schneidmüller. Als neue stellvertretende Schulleiterin
wurde Frau Kathrin Daut berufen. |